CSK Gymnasium Oberschützen startet ein außergewöhnliches Projekt
Bericht: Eva-Maria Radl
Hintergrund
Im Juni haben wir uns im Forum genauer mit dem Thema „verliebt“ auseinander gesetzt. Dabei haben wir uns nicht nur über die Themen „Liebe zwischen Jungen und Mädchen“ oder „Die Liebe, nur ein Gefühl“ usw. Gedanken gemacht sondern uns auch mit der Nächstenliebe beschäftigt.
Um dieses Thema im Alltag praktisch umzusetzen, haben wir uns als örtlicher CSK (Christlicher Schülerkreis des Gymnasiums Oberschützen) gefragt, wie wir dabei vorgehen können. Wir beteten, dass Gott uns konkrete Nöte oder Bedürfnisse zeigt, und uns klar macht wie wir die wenigen Mittel, die uns zur Verfügung stehen (z.B. ein Teil unseres Taschengelds), am effektivsten einsetzen können. Nach einiger Zeit wurde uns klar, dass wir Jugendlichen in unserem Alter, die in einem schwierigen sozialen Umfeld leben, zu einer guten und vor allem regelmäßigen schulischen Ausbildung verhelfen möchten. Wir suchten dabei nach persönlichen Kontakten, da wir solche Schüler und Schülerinnen während dieser Zeit auch begleiten und als Freunde gewinnen wollen. Bald merkten wir, dass wir so ein Projekt am besten in Rumänien verwirklichen könnten.
Warum Rumänien?
Letztes Jahr im Sommer war meine ältere Schwester, Elisabeth, für drei Wochen in Rumänien auf Besuch bei einem dort arbeitenden Missionarsehepaar Marian und Andrea Stoica und deren Kindern Ruth-Naomi (5) und Josif-Timotei (2).
Diese Familie integrierte meine Schwester in ihr Leben und Arbeiten in dieser so überaus benachteiligten Gegend Rumäniens. Als sie zu Hause voll von neuen Eindrücken und Erfahrungen die Not vieler Menschen schilderte, weckte das in mir den Wunsch, auch dorthin zu kommen, um Land und Leute vor Ort kennenzulernen.
So sprach ich mit den anderen in unserem CSK und mit meiner Schwester, und wir kamen überein, dass ich in den Ferien mit ihr dorthin fahre, um mich umzusehen und Kontakte zu knüpfen.
Meine ersten Eindrücke
Im Juni dieses Jahres, flogen meine Schwester Elisabeth und ich für eine Woche nach Rumänien. Ich muss zugeben, ich war nicht auf das gefasst, was mich dort erwartete.
Als wir nach dem Flug und einer aufregenden, langen Zugfahrt an unserem Ziel, einem Ort – etwa in der Größe Oberwarts – im Südwesten Rumäniens namens Draganesti-Olt (sprich: Draganescht-Olt), angekommen waren, wurde mir bewusst, dass wir es hier wohl mit dem ärmsten Teil Rumäniens zu tun hatten.
Auf der Fahrt zu unserem Quartier konnte ich meine ersten Eindrücke vom Ort sammeln. Ein Haus nach dem anderen tauchte im Scheinwerfer auf. Ein paar Häuser, an denen wir vorbei fuhren, waren sicher einmal schmucke, kleine Häuschen gewesen, aber wahrscheinlich war für eine Renovierung kein Geld da, denn die Fassaden waren alt und teilweise abgeblättert, die Dächer schief und die Gärten verwachsen. Doch wir fuhren auch an bescheidenen aber gepflegten Wohnungen vorbei und plötzlich tauchte eine riesige, palastähnliche Villa mit spitzen Türmchen und roter Fassade vor uns auf – der knallharte Kontrast zu den kleinen Nachbarhütten.
Obwohl es schon nach Mitternacht war, trafen wir an einer Straßenecke auf eine Gruppe Jugendlicher, die am Boden herumsaßen und sich unterhielten. Die Jüngsten schätzte ich auf gerademal zehn Jahre. Die breiten Straßen waren nicht asphaltiert, staubig und voller tückischer Schlaglöcher und die Häuser wurden mehr und mehr zu Lehmhütten mit notdürftigen Bretterverschlägen.
Bild: Häuser, in denen wir Familien besuchten
Unsere Gastgeberfamilie
In den Tagen, die ich dort verbringen durfte, bekam ich mit, dass die Wohnungstür unserer Gastgeberfamilie Stoica immer für Besucher offen stand und oft saß in der sowieso schon engen Küche noch jemand am Tisch, um mit uns zu essen. Marian und Andrea standen allen mit Rat und Tat zur Seite, wo Hilfe gebraucht wurde und sie packten auch überall selbst mit an. Ich war sehr beeindruckt von ihrer Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit gegenüber ihren „Nächsten“ und bewunderte die Hingabe, mit der sie alle Arbeiten taten. Ich war glücklich, wenn ich an anstrengenden Tagen Andrea, die mit dem dritten Kind schwanger ist, zur Hand gehen konnte oder ihr die Kinder, die mittlerweile Vertrauen zu mir gefasst hatten, abnehmen und sie mit Spielen beschäftigen konnte.
Bild: von links Eva-Maria, Andrea, Ruth-Naomi und Marian
Erste Begegnungen
Am nächsten Tag wachten wir früh auf und ich war gespannt, die Ortschaft bei Tageslicht zu erkunden. Dazu hatte ich gleich Gelegenheit, denn Andrea nahm uns auf den Markt mit. Das Dorf war schon in großer Betriebsamkeit und kleine Pferdefuhrwerke, die aussahen wir große Leiterwägen und von mageren aber gesunden Pferden gezogen wurden, ratterten an uns vorbei. Ich entdeckte nur wenige Autos, denn die Hauptfortbewegungsart ist die mit Pferdewagen oder zu fuß. Die meisten Menschen, denen wir begegneten, grüßten freundlich und viele blieben stehen, um mit Andrea ein paar Worte zu wechseln. Wenn sie uns Freunden vorstellte, begrüßten sie uns und lächelten immer freundlich. Viele alte Frauen tätschelten unsere Wangen und sagten uns auf Rumänisch Worte wie „Gott segne dich“, oder „Friede sei mit dir“. Ich fühlte mich sofort wohl, denn alles lief sehr locker und gemütlich ab.
Kontakte, die ich vor Ort knüpfen konnte
Um den eigentlichen Zweck zu erfüllen, warum ich gekommen war, nahm Marian Elisabeth und mich zu Hausbesuchen mit. Ich lernte unter anderem vier verschiedene Familien kennen, deren Schicksal mir besonders zu Herzen ging.
Loredana (kurz: Lori) und ihre Familie: Sie ist siebzehn und die Älteste von fünf Geschwistern. Ihr Vater ist ein jähzorniger Alkoholiker und wird oft handgreiflich, dann schlägt er seine Frau und seine Kinder. Da sie, wie die meisten Familien hier, über kein geregeltes Einkommen verfügen, herrscht natürlich ständige Knappheit und wenn dann auch noch Alkohol dazukommt, wird die ganze Situation schier unerträglich. Gerade in der Woche, als wir sie kennenlernten, erzählte Lori uns so schreckliche Dinge, die ihr Vater ihnen in den vergangenen Tagen angetan hatte, dass ihre Mutter sich nun veranlasst sah, mit den Kindern in ein anderes Dorf zu übersiedeln… (Inzwischen sind sie mit ihrer Mutter zu Bekannten gezogen, um nicht länger den Angriffen des Vaters ausgesetzt zu sein.)
Bild: Loredana (Lori) und ihre Familie mit Elisabeth und Eva-Maria
Familie S: Sie wohnt in einem kleinen, notdürftigen Häuschen. Die Großmutter hat eine kleine Kammer im hinteren Teil des Hauses. Die vier Kinder und ihre Eltern teilen sich einen Schlafraum in dem zwei breite Betten stehen. In einem Bett schlafen die Mutter mit der Kleinen und ihrer älteren Tochter, im anderen schlafen der Vater und seine Söhne. Im Raum ist es stickig und es müsste dringend gelüftet werden. Aber Marian erklärte uns, dass diese Familie keine Heizung besitzt und dass sie deswegen den Raum mit ihren Körpern heizen müssen. Trotz der Armut waren die Eltern sehr gastfreundlich und luden uns ein, auf den Betten Platz zu nehmen. Wie auch bei Loredana verbrachten wir die Zeit mit Reden und zum Abschluss beteten wir noch mit der Familie. Das waren schöne Momente.
Bild: Familie S. mit Elisabeth und Eva-Maria
Maru und ihre Familie: Sie ist sechzehn, hat eine ältere Schwester und einen kleinen Bruder. Ihre Mutter hat nur eine Saisonarbeit und sie bekommen Kindergeld, was aber weit weniger als bei uns ist. Letztes Jahr starb ihr Vater qualvoll an Tuberkulose. Maru muss trotz ihres Schulbesuchs alleine die ganze Hausarbeit verrichten, wenn ihre Mutter arbeitet, und es mangelt an vielen Ecken…
Bild: Elisabeth mit Maru (rechts) und Eva-Maria mit den Kindern von Andreas und Marian
Fam. X: Hier gibt es drei Geschwister, die ganz auf sich alleine gestellt sind. Weil die Mutter keinen Job fand, ging sie nach Spanien. Ihr Vater ist ebenfalls weggezogen. (Ich weiß nicht wohin). Der Älteste muss Geld für seine zwei jüngeren Brüder (10 und 17 Jahre) verdienen, die beide noch in die Schule gehen und dringend etwas Unterstützung gebrauchen können. Als er mit der Schule fertig war, konnte er einen Job als Kellner finden. So kann er, wenn auch nur notdürftig, für seine Geschwister sorgen.
Bild: Die drei Brüder, die von Vater und Mutter verlassen wurden mit Eva-Maria und Elisabeth
Und das kam dabei heraus
Als CSK können wir mit einem gewissen Anteil unseres Taschengeld helfen. Das reicht aber natürlich nicht aus, um alle vier Familien regelmäßig zu unterstützen, auch wenn man mit monatlich 30.- bis bis 60.- Euro den Jugendlichen einer Familie schon gut helfen kann. Ich denke, das ist auch die Summe, die wir für eine Zeit monatlich zusammenlegen können, um den Kindern einer Familie zu helfen. Nun musste ich mich also für eine Familie entscheiden, und das ist mir wirklich nicht leicht gefallen.
Ich fragte meine Schwester und das Missionarsehepaar Marian und Andrea, was sie meinen, wem wir unseren kleinen CSK-Beitrag zukommen lassen sollen. Alle vier hatten wir interessanterweise denselben Eindruck. Und bald stand fest: Der CSK des Gymnasiums Oberschützen unterstützt in seinem selbst gegründeten „Nächstenhilfe-Projekt“ die schulische Ausbildung der 17-jährigen Schülerin Loredana (Lori)!
Im Juli haben wir Lori den ersten kleinen Geldbetrag überwiesen, mit dem sie dort vor Ort genug hat, um Wichtiges zu bestreiten. Lori war gemeinsam mit Marian schon für die Schule einkaufen.
Wir haben mit Marian vereinbart, unsere Geldgeschenke in erster Linie für Bildungszwecke anzuwenden, sodass ein geregelter Schulbesuch für alle Kinder der Familie möglich ist. Darüber hinaus soll er für sie kaufen, was sonst nötig ist, wie Heizmaterial für den Winter o.ä.
Wir werden regelmäßig berichten wie es weitergeht. Vielleicht schenkt Gott es auch, dass wir Lori einmal in unsere Schule einladen können und sie selbst erzählt…
Wer an unserer Schule das Projekt mit unterstützen möchte oder aber sich für mehr Dinge interessiert, als nur für sich selbst, ist herzlich eingeladen unseren CSK kennenzulernen.
Den CSK-Leuten an anderen Schulen, die vielleicht ähnliche Überlegungen haben, möchte ich Mut machen ebenfalls aktiv zu werden. Es gibt viele Möglichkeiten. Und falls euch nicht gleich etwas einfällt, so denkt daran, dass es noch drei Familien gibt, denen wir im Moment nicht helfen können.
Wer mehr Infos möchte, kann sich an mich (Eva-Maria) im CSK4more-Forum wenden.