Conchitas Botschaft
Der ORF, der Conchita zum Song Contest 2014 sandte um ein Zeichen für Toleranz zu setzen, war wohl der Meinung, dass man alles andere im Leben auch dulden würde, wenn man sich erst einmal an weibliche Vollbärte oder männliche Kunstwimpern gewöhnt hat. Für mich eher enttäuschend, denn nun befürchtete ich ernstlich, dass ich wohl doch nicht als tolerant gelte, wenn das der Härtetest ist.
Meine Oma hatte übrigens auch einen Bart (wenn auch nicht so schön gepflegt wie Conchita), doch trotz jahrelangem Anschauungsunterricht konnte und wollte ich mich bis heute nicht daran gewöhnen, dass Frauen Bärte bzw. Männer angeklebte Wimpern tragen.
Und: Gerade als ich dachte, dass ich offensichtlich ein hoffnungsloser Fall bin, innerhalb eines “kulturrevolutionären” Europas, lese ich die Headline einer Zeitung: Lady mit Bart spaltet Europa! Offensichtlich also wollen neben mir auch andere tolerant sein, ohne gleich den Rasierer mit ihrer Partnerin teilen zu müssen.
Spaß beiseite, wer denkt es handelt sich bei Conchita Wurst um einen PR-Geck, der liegt völlig falsch. Es handelt sich um eine Botschaft, die uns vermittelt werden soll, und diese Botschaft liegt bereits in dem bewusst gewählten Künstlernamen Wurst. Die Message lautet nämlich: Aussehen und Herkunft sind völlig wurscht! Geschlecht, sexuelle Ausrichtung ebenfalls wurscht! Was andere denken, sagen oder tun: auch das ist wurscht! Jeder soll sein Leben so leben dürfen, wie er es für richtig hält, solange niemand zu Schaden kommt.
Nun ist sicherlich vieles unbedeutend was andere uns als wichtig verkaufen möchten, aber dennoch ist nicht gleich alles wurscht!
Es verwundert mich aber nicht, wenn halb Europa begeistert ist, weil endlich jemand ihre Devise, die längst zum Lebensinhalt wurde, öffentlich so in Szene setzt. Denn es geht überhaupt nicht darum dass einem der Song gefallen muss, oder dass man selbst schwul, eine bärtige Frau oder ein männlicher Röcke- und Wimpernträger sein möchte, es geht in erster Linie darum, dass man einfach anders sein möchte als die vorherrschende Gesellschaft und endlich einen Botschafter hat… es geht um uns!
Nachdem feststand, dass Conchita den Song Contest 2014 gewonnen hatte, war in der Wiederholung ihres Liedes der Text in abgeänderter Form zu hören. Anstelle von: Once I’m transformed, once I’m reborn, you know I will rise like a phoenix… (sobald ich verwandelt bin, sobald ich wiedergeboren bin, weißt du, dass ich wie ein Phoenix aufsteige… sang Conchita: Once we are transformed, once we are reborn, you know we will rise like a phoenix… (sobald wir verwandelt sind, sobald wir wiedergeboren sind, weißt du, dass wir wie ein Phoenix aufsteigen…
Bei ihrer Siegerehrung sagte Conchita dann ebenfalls: Wir sind nicht aufzuhalten! Deshalb wurde sie in einem anschließenden Interview gefragt, wen genau sie denn mit wir gemeint hat? Antwort: Ich meinte genau die Menschen, die so denken wie ich, die eine Zukunft vor sich sehen, die ohne Ausgrenzung und Diskriminierung funktionieren kann, in Frieden und Freiheit.
Nicht jeder, der gerne anders sein möchte (und das ist offensichtlich halb Europa) hat auch den Mut anders zu sein, sein Leben total zu verändern. Ich denke dabei nicht an Geschlechterrollen oder sexuelle Ausrichtungen, sondern an andere radikale Veränderungen, die eine Abkehr von unserem hergebrachten Gesellschafts- und Wertesystem zum Ziel haben, hin zu einem erfüllten Leben, zu sinnvollen Dingen und zu beständigen Werten. Doch die meisten sehen entweder keine Alternative oder haben nicht die Kraft gegen den Wind zu marschieren! Sie sind es, die Conchita applaudieren, weil sie selbst gerne an ihrer (seiner) Stelle wären, auch wenn sie nicht dieselben geschlechtlichen und sexuellen Neigungen haben! Conchita Wurst ist ihre Botschafterin. Conchita lebt und präsentiert öffentlich was sie im Geheimen denken aber nicht auszuleben vermögen, nämlich: Alle hergebrachten Werte und alles fest Etablierte ist doch im Grunde wurscht!
Doch was dann? Was anstelle dessen?
Haben wir endlich den Sinn und die Erfüllung des Lebens gefunden, wenn wir Conchitas Botschaft weitertragen und uns dafür einsetzen, dass jeder sein Leben so leben darf, wie er es für richtig hält, und einfach das tut was richtig ist in seinen Augen?
Eine interessante Antwort auf diese Frage finden wir in dem Buch, in dem u.a. auch die Gesellschaftsmodelle genau verzeichnet sind, die der Mensch bereits ausprobiert hat: In der Bibel.
Dort wird uns mitgeteilt, dass es eine Zeit gab (im 14. Jhdt. v.Chr.) in welcher Menschen nach diesem Modell und nach dieser Devise gelebt hatten. Man bekommt einen guten Eindruck davon wie das ausgesehen hat, wenn man das Buch Richter Kapitel 17 bis Kapitel 21 liest. Zu Beginn (17,6) und dann noch einmal am Ende des Berichtes (21,25) wird ausdrücklich gesagt, dass die Israeliten zu dieser Zeit so lebten, dass jeder tat was richtig war in seinen Augen. Das ist nicht negativ zu verstehen, sondern so wie Conchita es proklamiert: Jeder lebt so wie er es für richtig hält!
In den Kapiteln 17 und 18 wird uns dann anhand einer Begebenheit vor Augen geführt, wie sich das auf ihren Glauben auswirkte, der nun zu einer Religion wurde.
In Kapitel 18 wird uns anhand einer nicht mehr intakten Familie vor Augen geführt welche Folgen hier zu finden waren, und in Kapitel 19-21 ist festgehalten welche Auswirkungen dieses Lebensmodell auf den Staat und das Volk hatte.
Es ist deutlich zu erkennen, dass Conchitas Zusatz: solange niemand zu Schaden kommt, unrealistisch ist und letztlich immer wieder an uns Menschen scheitert. (Gerade diese Kapitel der Bibel, die von dieser Zeit und von diesem Lebensmotto berichten, gehören zu den grausamsten Abschnitten der Heiligen Schrift!)
Zudem merkt man beim Lesen von Richter 17-21 interessanterweise auch eine gewisse Ziel- und Sinnlosigkeit, die sich breit macht wenn jeder so lebt wie er es für richtig hält.
Dem diametral entgegengesetzt finden wir Lebensbilder in der Bibel (in den Büchern Könige und Chronika), wo es nicht heißt: Sie taten was richtig war in ihren Augen, sondern: Sie taten was richtig war in den Augen Gottes!
Liegt vielleicht darin Sinn und Erfüllung unseres Lebens? Und lohnt es sich vielleicht dafür, dem etablierten gesellschaftlichen System und seinen Werten den Rücken zu kehren und gegen den Wind zu marschieren?
Finde es heraus!